026 Organisierte Konflikte

In einem Experiment wurde 1967 an der Universität von Kalifornien in Berkeley ein Staatswesen der Zukunft in eine Direkt-Demokratie simuliert. Politiker und Fachleute diskutierten Streitprobleme, und die Staatsbürger schauten dabei nicht nur zu, sondern gaben fortlaufend Bewertungen ab, die von einem Computer blitzschnell ausgewertet und dargestellt wurden. Die politische Diskussion sollte dadurch entsprechend den alten demokratischen Idealen wieder direkt ins Volk hineingetragen werden. Eine Rundfunkstation half im Frühjahr 1967, dieses Konzept öffentlich zu experimentieren. Schließlich interessierte sich auch das Deutsche Fernsehen dafür, filmte den Versuchsaufbau und beriet über Möglichkeiten, ein solches Experiment auch einmal im Deutschen Fernsehen zu senden.
Dieses System wurde ORAKEL getauft, weil mit seiner Hilfe groBe Massen von Staatsbürgern gemeinsam planen und Wege in die Zukunft eröffnen können.

ORAKEL besteht aus einem
— Organisierten Konflikt, einer
— Repräsentativen Auswahl von Bürgern, die sich um die
— Artikulation
— Kritischer
— Entwicklungs-
— Lücken bemühen.

ORAKEL bedeutet Organisierte Repräsentative Artikulation Kritischer Entwicklungs-Lücken. Der organisierte Konflikt ist nicht sehr verschieden von einer hitzigen Debatte im Parlament, die man im Fernsehen verfolgen kann. Auch im Parlament geht es zwar nicht immer, aber doch häufig um ge­sellschaftlich und politisch heiBe Themen. Nur ist ganz offen­sichtlich, daß dabei manche Bevölkerungsteile schlecht oder gar nicht vertreten sind, andere überstark. Deswegen wird bei ORAKEL dieser Konflikt so organisiert, daß daran Vertreter aller direkt oder indirekt betroffenen Gesellschaftsgruppen be­teiligt sind, die in ihrem Bereich und zur Vertretung ihrer Interessen über ausreichenden Sachverstand und Fachwissen verfügen. Dabei ist zu beachten, daß der nötige Sachverstand eben nicht nur durch langjähriges Studium, sondern insbesondere durch Praxis, durch Erfahrung und Einsicht erworben werden kann. Dieser Personenkreis, der sich aus Politikern, Wissenschaftlern, Vertretern der Interessengruppen und nichtorganisierten Betroffenen zusammensetzt, beginnt zu streiten und versucht dabei, die gegensätzlichen Standpunkte möglichst deutlich darzustellen; dazu muß sich jeder gut vorbereiten. Er braucht nicht nur das notwendige Wissen, sondern auch Klarheit über die von ihm vertretene Interessenlage. Von vielen Gruppendiskussionen im Fernsehen unterscheidet sich der organisierte Konflikt durch seine Schärfe, die durchaus polemisch sein kann, jedoch nicht darauf gerichtet ist, den anderen persönlich abzuwerten, sondern seine interessengebundenen Weltanschauungen ans Licht zu bringen.