040 Elemente einer politischen Krisentheorie

Erfolg oder Mißerfolg der Balancierung kontradiktorischer Imperative hängt von der organisatorischen Verknüpfung bzw. wechselseitigen Isolierung von drei »Subsystemen« ab, die wir nach den spezifischen Steuerungsmedien (s. 0.) als das ökonomische System, das politisch-administrative System und das normative (legitimatorische) System unterscheiden. Das ökonomische System ist zur Behebung seiner internen Funktionsstörungen auf hoheitliche Dauerintervention angewiesen; es gibt seinerseits – auf dem Wege der Besteuerung – Teile des in ihm erzeugten Wertes an das politisch-administrative System ab. Mit dem normativen System ist das politisch-administrative durch die Erwartungen, Forderungen, Ansprüche usw. verbunden, denen es konfrontiert wird (»specific demands«, nach Easton) und auf die es durch sozialstaatliche materielle und Organisationsleistungen reagiert; andererseits ist das politisch-administrative System auf »Massenloyalität« (»diffuse support«) angewiesen, von deren Umfang seine Autonomie und Dispositionsfähigkeit abhängig ist. Determinanten dieser funktionalen Legitimationsprozesse sind im politischen System selbst, nämlich in seinen sozialstaatlichen, ideologischen (Poulantzas, Miliband) und repressiven Funktionen einerseits, in autonomen »präpolitischen« Veränderungen des Normensystems, der Ideologien und des Klassenbewußtseins andererseits, zu sehen. Das Problem des politisch-administrativen Systems besteht nun nicht nur darin, den jeweiligen »Saldo« von bestandswichtigen Steuerungsleistungen und fiskalischer Abschöpfung (linke Seite des Schemas) bzw. Massenloyalität und sozialstaatlichen bzw. repressiven Politiken (rechte Seite) »positiv« zu halten, sondern auch darin, die Bearbeitung dieser beiden Problemkomplexe (Vermeidung von ökonomischen Funktionsstörungen und von politischen Konflikten) so vorzunehmen, daß nicht ein Problemtypus um den Preis einer Verschärfung des anderen gelöst wird: Funktionsstörungen dürfen nicht in Konflikte umschlagen, und umgekehrt. Zur Lösung dieses Problems muß das politisch-administrative System eine interne »Disjunktivität« entwickeln, die es erlaubt, die Probleme, die auf der rechten Seite des Schemas repräsentiert sind, gegen jene der linken Seite relativ zu isolieren. Angesichts der hier entwickelten Modell-Vorstellung einer zur Aufrechterhaltung des dominanten, tauschförmigen kapitalistischen Organisationsprinzips notwendigen, dieses aber zugleich immer in Frage stellenden politisch- administrativen Steuerungsinstanz ist nun zu klären, weshalb es nicht möglich sein sollte, daß krisenhafte Zuspitzungen dieses Dilemmas dauerhaft vermieden werden, – nämlich dadurch vermieden werden, daß zwischen dem »erforderlichen« Interventionsniveau und dem »bedrohlichen« Interventionsniveau ein relativ problemloser Entwicklungspfad eingehalten wird. Dieser entspräche dem Feld zwischen den Linien AB und CD. Dem Versuch einer begrifflichen Klärung des Krisenbegriffs muß also die Identifizierung empirischer Phänomene und Prozesse folgen, die den Kriterien dieses Krisenbegriffs genügen.