079 Der Gestaltkreis

Und doch bleibt bestehen: die Bewegungsform entstand. Aber wir konnten dieses Entstehen nicht in befriedigender Weise nachzeichnen. Ging man vom individuellen Organismus aus, dann hatte man die vorgegebene Umwelt außer acht gelassen und musste sie nachträglich einführen; ging man von der Umwelt, den Reflexreizen, aus, dann mußte man die zentrale Tätigkeit nachträglich einführen. Im ersten Falle erhält man die Fiktion, als komme die Umwelt nur durch ihre Reaktion auf die Bewegung des Lebewesens in Betracht, im zweiten die Fiktion, als sei der Organismus der reflektorische Spielball der Umweltreize. Ist man einmal auf diese falsche Alternative und ihren Mißerfolg aufmerksam geworden, dann liegt die Vermutung schon nahe, der Fehler stecke in dieser ursprungsmäßigen Trennung von Organismus (O) und Umwelt (U). Beide sind ja von Anfang an da. O wirkt auf U und gleichzeitig U auf O. Es gibt keine zwingende Vorschrift, wonach zuerst das eine und dann das andere Wirkungsverhältnis erfolge; die Gleichzeitigkeit der Wechselwirkung kann kein Grund sein, sie überhaupt als keine Wirkung oder als zeitlos anzusehen. Offenbar fehlen uns im Augenblick nur die Ausdrucksmittel, sie darzustellen. Aber wir können einen Anfang machen, wenn wir die Wechselwirkung von der einseitig gedachten Kausalität unterscheiden. Versucht man zunächst einen anschaulichen Schematismus dafür zu finden, daß O auf U und zugleich U auf O wirke, so kommt man zum Bilde eines Kreises:
[Figur]
Die Formgenese muß dann als geschlossener Kreis insofern gelten, als es in ihrem Wirkungszusammensein kein lokalisierbares prius und posterius gibt; denn dies würde der Voraussetzung der Gleichzeitigkeit widersprechen. Wir werden die Genese der Bewegungsformen von Organismen als Gestaltskreis bezeichnen.