Positive und / oder negative Wahrheit

Fiktionsbewußtsein
Wahrheit als Gegenentwurf
Fiktionskritik

Zelter, Joachim (1994). Sinnhafte Fiktion und Wahrheit: Untersuchungen zur ästhetischen und epistemologischen Problematik des Fiktionsbegriffs im Kontext europäischer Ideen- und englischer Literaturgeschichte. Tübingen: Niemeyer. S. 23.

Bacon bezeichnet den Hang des Menschen zur Täuschung und Selbsttäuschung als „disease of learning“, das den Zugang zu essentiellem Wissen, der „essential form of knowledge“, das nichts anderes als die „representation of truth“ ist, verbaut. In Bacons Annahme der Existenz einer objektiven Wahrheit, die sich durch die Beseitigung menschlicher Idole (womit er sämtliche vorurteilsbeladenen Ansichten und verzerrten Wirklichkeitsbilder meint) auffinden und repräsentieren läßt, ist bereits der gemeinsame Nenner aufklärerischen Denkens präfiguriert. Das einende Moment aller Aufklärungsbewegungen ist die Kritik, deren Gegenstand die illusionäre Beschaffenheit unhaltbarer Wirklichkeitsbilder ist. Die Kritik und die Entlarvung der Illusionen folgt der Maßgabe eines — ausgesprochenen oder unausgesprochenen — Wahrheitskriteriums und Wahrheitsgebots, das als Modus der Desillusion und zugleich als Alternative zur Illusion fungiert. Dabei kommt in der Regel folgender Dreischritt zum Ansatz:

Fiktionsbewußtsein,
Fiktionskritik und
die Wahrheit als Maßgabe der Kritik sowie als Gegenentwurf zur Fiktion.

Diese Schrittfolge unterstellt entweder die Existenz einer positiven Wahrheit, die sich nach dem Aufzeigen und der Beseitigung illusionärer Vorstellungsgebilde herauskristallisieren soll; oder sie setzt zumindest auf den Restbestand einer „negativen“ Wahrheit, die — ex negativo — die Erkenntnis der „Unwahrheit“ zu einer „Wahrheit“ erklärt.