Eine neue Anthropologie

Natur
Hybrid
Kultur

Latour, Bruno (1991 / 2008). Wir sind nie modern gewesen. Frankfurt am Main: Suhrkamp. S.20.

Solange wir die beiden Praktiken der Übersetzung und der Reinigung getrennt betrachten, sind wir wirklich modern, das heißt, wir stimmen dem kritischen Projekt mit ganzem Herzen zu, auch wenn dieses sich nur entfaltet, weil die Hybriden sich darunter ausbreiten. Sobald wir unsere Aufmerksamkeit dagegen gleichzeitig auf die Arbeit der Reinigung und der Hybridisierung richten, hören wir sofort auf, gänzlich modern zu sein, unsere Zukunft beginnt sich zu verändern. Im selben Moment hören wir auf, modern gewesen zu sein – im Perfekt –, weil uns rückblickend bewußt wird, daß die beiden Ensembles von Praktiken in der zu Ende gehenden historischen Periode schon immer am Werk gewesen sind. Unsere Vergangenheit beginnt sich zu verändern. Und schließlich, wenn wir nie modern gewesen sind (zumindest in der Bedeutung, die uns die Kritik vorgibt), könnten sich die gequälten Beziehungen, die wir zu den anderen Naturen / Kulturen unterhalten haben, wandeln. Relativismus, Herrschaft, Imperialismus, schlechtes Gewissen, Synkretismus, kurz, alle Probleme, die im Ausdruck »Große Trennung« zusammengefaßt sind, werden anders erklärt werden und damit die vergleichende Anthropologie verändern.
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