Die theatralischen Effekte des Konsums

Konsument
Zuschauer
Bürger

Sennett, Richard (2005). Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin: Berlin Verlag. S.128.

Der Konsum hat einen theatralischen Aspekt, weil der Verkäufer wie der Autor eines Theaterstücks den »bereitwilligen Ausschluss von Ungläubigkeit« bewirken muss, damit der Konsument kauft. Selbst der prosaische Wal-Mart ist solch ein Theater, in dem die schiere Masse der angebotenen Waren das Verständnis der Zuschauer oder Konsumenten für die Dinge verändert. Heute besitzt die Kon­sumleidenschaft dramatische Kraft. Für den Zuschauer-Konsumen­ten ist der Gebrauch des Besitzes weniger erregend als der Wunsch, Dinge zu erwerben, die er noch nicht hat. Die Dramatisierung des Potenzials veranlasst den Zuschauer-Konsumenten, Dinge haben zu wollen, die er gar nicht voll nutzen kann.
Die Politik ist ebenso theatralisch, und vor allem progressive Politik erfordert eine bestimmte Rhetorik. Sie entwickelt bei den Bürgern einen bereitwilligen Ausschluss der Ungläubigkeit im Hin­blick auf die eigene Vergangenheit und die akkumulierte Erfahrung. Ich habe mich bemüht, den Akzent auf die positiven Aspekte zu set­zen. Doch wie die Vermarktung von Konsumgütern, so kann auch die Vermarktung von Politik eine eher negative Wendung nehmen. Was der Hoffnung auf einen fortschrittlichen Wandel fehlt, ist ein Verständnis der zutiefst passivierenden Rolle, die der Illusion in der modernen Gesellschaft zukommt. Damit meine ich das Paradox, dass Menschen sich aktiv in ihre eigene Passivität hineinbegeben können.
Ich werde fünf Wege aufzeigen, die beim Konsumenten-Zu­schauer-Bürger eine Abkehr von der progressiven Politik und eine Hinwendung zur Passivität bewirken. Die Liste ist kaum erschöp­fend, doch jedes Element ergibt sich unmittelbar aus der oben be­schriebenen Kultur des neuen Kapitalismus.