Verantwortung

Verantwortungssubjekt
Verantwortungsbereich
Verantwortungsinstanz

Zimmerli, Walther Christoph (1993). Wandelt sich Verantwortung mit technischem Wandel? In: Lenk, Hans & Rophl, Günter (Hrsg.) (1993). Technik und Ethik. 2. Auflage. Stuttgart: Reclam. S.105.

Der Begriff ‚Verantwortung‘ erweist sich als eine mindestens dreistellige Relation, die Verantwortungssubjekt, Verantwortungsbereich und Verantwortungsinstanz verknüpft. Nun haben sich alle drei − Instanz, Bereich und Subjekt − in der Geschichte der neuzeitlichen Säkularisierung entscheidend verändert: An die Stelle Gottes als Verantwortungsinstanz tritt die Gesamtheit aller vernünftigen Wesen in Gegenwart und Zukunft und ggf. auch die außermenschliche Natur, der Verantwortungsbereich wird um die Menge aller neuen Technologien erweitert, zumal jene, bei denen eine grundsätzliche Nichtvorhersehbarkeit ihrer Folgen dem Menschen bewußt ist, was eng mit der grundsätzlichen Veränderung des Verantwortungssubjekts zusammenhängt, das ganz offenkundig sowohl seine Begrenzung auf das Individuum als auch seine Einschränkung auf jene Handlungen, für die es selbst in bewußtem Sinne steuernd verantwortlich war, aufgeben muß.

Die Antwort ergibt sich aus der Beschaffenheit der Alteritätsbeziehung der Verantwortung, die nicht diadisch (Subjekt und Anderer), sondern triadisch (Subjekt, Anderer und Dritter) strukturiert ist. Die Instanz des Dritten ist in jeder Beziehung zwischen dem Subjekt und dem Anderen präsent und repräsentiert die Öffentlichkeit im Sinne einer Pluralität aller anderen Anderen, die bereits durch die kommunikative Struktur der Sprache impliziert wird sowie durch öffentliche Institutionen und Normen. Der Dritte begrenzt den Anspruch des Anderen und zwingt das Selbst zu einer Abwägung zwischen unterschiedlichen Ansprüchen, die wiederum die einzige Möglichkeit zur Freiheit bildet: „Alles, was hier ‚unter uns‘ geschieht, geht jedermann an, das Antlitz, das mich ansieht und angeht, steht im vollen Licht der Öffentlichkeit (…)“ (Levinas 1987, S. 307). Das „Licht der Öffentlichkeit“ verweist hier auf die Anwesenheit des Dritten, die impliziert, dass das Subjekt sich zwischen verschiedenen Handlungsoptionen und geforderten Antworten (der Dritte impliziert auch die Ansprüche aller anderen Anderen, die sich dann in der sozialen Ordnung oder der Rechtsordnung wiederfinden) zu entscheiden hat. Da es keine festgelegten Werte gibt, die dem Subjekt eine Entscheidung zwischen den unterschiedlichen Ansprüchen ermöglichen würden, befindet es sich in einem unendlichen Konflikt, der sich aus der Notwendigkeit, ein „Vergleichen des Unvergleichlichen“ (Levinas 1992, S. 345) – also ein Vergleichen unvergleichlicher Ansprüche – zu vollziehen, ergibt. Um trotz dieses Konfliktes die Beziehung zum Anderen lebbar zu machen, muss es die unendliche Verantwortung beschränken, indem es abwägt. Erst dadurch „entsteht die Ordnung der Gerechtigkeit, die meine Stellvertretung für den Anderen mäßigt oder bemißt (…), und so gibt es Gerechtigkeit auch für mich“ (Levinas 1992, S. 346).

Siehe: Rauen, V. (2017). Ethische Verantwortung. In: Heidbrink, L., Langbehn, C. & Loh, J. (2017). Handbuch Verantwortung. Wiesbaden: Springer Fachmedien. S.551.